null Wie fördert Inklusion die Innovationskultur im Betrieb?

Um mit dem steten Wandel unserer Zeit Schritt halten zu können, müssen sich Arbeitgeber immer wieder neue Lösungen einfallen lassen. Ein hohes Maß an Innovationskraft, Kreativität und Flexibilität sind wichtige Kernkompetenzen dafür. Wie kann Inklusion dabei helfen, diese Fähigkeiten im Unternehmen und bei den Mitarbeitenden zu stärken? Diese Frage stand im Mittelpunkt des 4. Fachforums der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) Bayern im KU‘KO Rosenheim. Mehr als 400 Teilnehmende verfolgten die spannenden Diskussionen, Vorträge und Best-Practice-Beispiele per Livestream und auf der Bühne. Aussteller informierten ergänzend beim Markt der Möglichkeiten zu Unterstützungsmöglichkeiten für mehr Barrierefreiheit und Inklusion. Das Duo „Blind & Lame“ mit Gika und Lucy Wilke aus München sorgte für musikalischen Schwung.

Am Beispiel seiner eigenen Biographie machte der Motivationstrainer, Paralympics-Teilnehmer und ehemalige Berg- und Eissportler Felix Brunner deutlich, wie man selbst schwerste Krisen mit unkonventionellen Strategien überwinden und zu neuen persönlichen Erfolgen machen kann. (Foto: Axel Effner)

Das Fachforum der EAA Bayern ist eine Arbeitgeber- und Netzwerkveranstaltung für die Akteure am Arbeitsmarkt, die an der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beteiligt sind. Keynote-Speaker Felix Brunner sowie Führungskräfte aus zwei Unternehmen und der künstlerische Direktor der Münchner Kammerspiele machten deutlich, wie ein neues Verhältnis im Umgang mit Handicaps persönliche Potentiale, eine neue Mitarbeiterkultur und den Blick für unkonventionelle kreative Lösungen freisetzen kann.

In seiner Begrüßungsrede wies Johannes Magin, Vorstandsvorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Integrationsfachdienste Bayern e.V., darauf hin, dass sich die EAA Bayern seit fast vier Jahren als Lotsendienst bewährt haben, „der die Arbeitgeber über die Potentiale von Menschen mit Behinderung informiert, berät und unterstützt“. Seine Vorstandskollegin Martina Wagner-Stragies ergänzte, dass Inklusion heute kein Sonderthema mehr sei, sondern „ein Innovationsmotor für moderne Personalpolitik, der neue kreative Perspektiven freisetzt“.

Diskutierten über die innovativen Potentiale, die Beschäftigte mit Handicaps in unterschiedlichen Unternehmen freisetzen können (von links): Astrid Schlegel, Daniel Veldhoen, Leo Lohse, Carina Lettenbichler und Christiane Jung. (Foto: Axel Effner)

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf hob hervor, dass die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben „in die Chefetagen und Businesspläne“ gehöre, „weil Unternehmen damit attraktiver, wandlungsfähiger und stabiler werden“. Mit 18.000 Arbeitgeberkontakten und 500 Einstellungen seien die EAA Bayern eine wichtige Institution. Der Freistaat habe die Bemühungen um Inklusion im letzten Jahr mit 60 Millionen Euro aus der Ausgleichsabgabe unterstützt.

Interessante Impulse für Arbeitgebende erläuterten im Dialog mit Moderator Michael Hölzl Ministerialdirigent Karl-Heinz Arians aus dem Sozialministerium, Christian Weißenberger, Leiter ZBFS Inklusionsamt Bayern, und Dr. Nicole Cujai, Vorsitzende Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Rosenheim.

Wie er sich nach einem lebensgefährlichen Unfall aus der schwersten Krise seines Lebens herausgearbeitet hat und als Motivationstrainer einen neuen Lebenssinn gefunden hat, machte der ehemalige Allgäuer Bergretter und Eiskletterer Felix Brunner deutlich. Er schilderte, wie ihn nach einem 30-Meter-Absturz 2009, monatelangem künstlichen Koma und 60 Operationen quasi komplett der Lebensmut verlassen hatte. Mit Zähigkeit und der „Bergsportlermentalität im Umgang mit Misserfolgen“ habe er sich ins Leben zurückgekämpft, habe Weltcups im Monoski bei den Paralympics bestritten und als erster Rollstuhlstuhlfahrer mit dem Handbike offroad die Alpen überquert. In der „Bereitschaft zu Veränderung, Krisen-Resilienz und der Fokussierung auf unsere Stärken“ sah Brunner auch einen Weg, um die großen persönlichen, gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen bewältigen zu können.

Welche neuen Wege und Möglichkeiten inklusive Mitarbeiter-Teams bei der Krisenbewältigung bieten können, machten drei Best-Practice-Beispiele deutlich. Carina Lettenbichler von der Calida Group digital GmbH in Bruckmühl zeigte auf, wie die Einstellung von drei Mitarbeitern mit Handicaps zu mehr Teamgeist und Zusammenhalt, Offenheit und Hilfsbereitschaft bei den Mitarbeitern geführt habe.

Daniel Veldhoen, künstlerischer Direktor der Münchner Kammerspiele, zeigte beim 4. EAA Bayern-Fachforum in Rosenheim auf, wie kreativ sich die Arbeit mit gehandicapten Schauspielern auf die Arbeit vor, auf und hinter der Bühne ausgewirkt hat. (Foto: Axel Effner)

Daniel Veldhoen, künstlerischer Direktor der Münchner Kammerspiele, machte deutlich, welche neuen kreativen Potentiale und Denkmuster vor, auf und hinter der Bühne die Erarbeitung von Theaterstücken gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen mit Behinderungen ins Rollen gebracht hätten – neben der Erschließung neuer Besuchergruppen. Leo Lohse, Bezirksleiter von denn’s BioMarkt in Fürstenfeldbruck, berichtete davon, wie sich die Einstellung einer Mitarbeiterin mit Behinderung positiv auf Motivation und Zusammenhalt, Umgangsformen, Krankenstand und Geschäftsideen der anderen Beschäftigten ausgewirkt habe.

In der Diskussion hoben die drei Business-Experten hervor, wie der Einsatz für mehr Barrierefreiheit zudem „die Augen für einen anderen Blick auf das Unternehmen geöffnet“ habe. Im Dialog mit EAA-Vorständin Martina Wagner-Stragies beleuchteten zum Abschluss ihre EAA Oberbayern-Kolleginnen Astrid Schlegel und Katja Roglin weitere Beispiele, wie Inklusion die Unternehmenskultur positiv verändern kann. Etwa in punkto Fehlerkultur, Füh-rungsverhalten, Kommunikation, Fluktuation und der Erarbeitung von Lösungsstrategien. Beim Markt der Möglichkeiten im Ku’Ko Rosenheim informierten ergänzend 13 Netzwerk-partner und Anbieter von technischen Hilfsmitteln über vielfältige Beratungsangebote und Testmöglichkeiten wie etwa Exo-Skelette zur Arbeitsunterstützung oder Coaching-Apps. 

 

Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) Bayern

Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) sind ein deutschlandweit gesetzlich verankertes Angebot zur Entlastung von Arbeitgebenden. Die regionalen EAA-Inklusionsberaterinnen und EAA-Inklusionsberater stehen für alle Fragen rund um Beschäftigung, Einstellung und Ausbildung von schwerbehinderten Menschen zur Verfügung. Dabei stehen sie in engem Austausch mit der Agentur für Arbeit und dem ZBFS Inklusionsamt.

Im Januar 2022 ist in Bayern den Integrationsfachdiensten (IFD) die Trägerschaft der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber durch das ZBFS Inklusionsamt übertragen worden. Die Landesarbeitsgemeinschaft Integrationsfachdienste Bayern (LAG ifd Bayern e. V.) tritt dabei als Koordinierungsstelle der EAA in Bayern auf.