Neue Wege im Umgang mit Jugendkriminalität
null Neue Wege im Umgang mit Jugendkriminalität
Acht Schülerrichterinnen werden für ihr Engagement beim Projekt Teen Court der Sozialen Dienste Jakob Reeb ausgezeichnet. Leitender Oberstaatsanwalt Alfred Huber überreichte den jungen Frauen im Beisein von Oberstaatsanwältin Ulrike Klein, Leiterin der Abteilung Jugendstrafsachen, ihre Urkunden.
HIER finden Sie einen Artikel der Regensburger Zeitung zur Verleihung der Urkunden. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Teen Court ist Teil des Projekts „Fallschirm“ und will neue Wege im Umgang mit Jugendkriminalität einschlagen: Ausgebildete Schülerrichterinnen und Schülerrichter sprechen auf Augenhöhe mit geständigen Täterinnen oder Tätern über deren Vergehen und die Motive. Am Ende kann der Teen Court eine Maßnahme der Wiedergutmachung vorschlagen. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bleibt dabei immer in den Händen der Staatsanwaltschaft, die auch die Sanktionen überprüft.
„Sie haben ehrenamtlich ihre knappe Freizeit eingesetzt, um sich für die Gesellschaft zu engagieren. Das ist aller Ehren wert“, sagte Alfred Huber bei der Verleihung der Urkunden. Dem Projekt liegt die Idee zu Grunde, dass Gleichaltrige besseren Zugang zu den jugendlichen Täterinnen und Tätern haben, leichter herausfinden, wie es zur Tat kam und somit ein Umdenken bewirken können. „Dabei haben sie Erfahrungen mit schwierigen Jugendlichen gemacht und auch Reaktionen auf Fehlverhalten gesehen“, so Huber weiter. „Die Staatsanwaltschaft hat allen Sanktionen, die der Teen Court verhängt hat zugestimmt. Das bedeutet, sie haben ihre Aufgabe hervorragend erfüllt.“ So sei es den Schülerrichtern und Schülerrichterinnen gelungen, das richtige Maß zu finden: „Für jugendliche Täter steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, deshalb sind harte Strafen eine überholte Vorstellung. Ein zu mildes Urteil würde aber dazu führen, dass die Täter einfach weitermachen.“
Die Schülerrichterinnen und Schülerrichter des Teen Courts werden von sozialpädagogischen Fachkräften der Sozialen Dienste Jakob Reeb auf ihre Aufgabe vorbereitet und während des Verfahrens unterstützt. „Die Erfolgsquote des Projekts ist sehr hoch“, sagt Andrea Rother, die Leiterin des Projekts.
Hermann Zumüller, Einrichtungsleiter der Sozialen Dienste Jakob Reeb Regensburg, findet es großartig, dass so viele junge Menschen bereit sind, sich beim Teen Court einzubringen: „Anfangs hatten wir ein wenig die Sorge, ob wir genügend Jugendliche finden, die mitmachen wollen. Dann waren wir positiv überrascht: Trotz Corona sind viele bereit, sich zu engagieren und sich für andere einzusetzen. Das macht uns Mut für die Zukunft.“
Zahlen, Daten, Fakten zum Teen Court
Derzeit sind 23 Schülerrichterinnen und 12 Schülerrichter im Teen Court aktiv. Sie besuchen die Gymnasien und Realschulen in Stadt und Landkreis Regensburg sowie die Fachoberschule (FOS). Im Jahr 2020 wurden 34 Fälle vor dem Teen Court verhandelt, 32 davon erfolgreich abgeschlossen. 2021 waren es 16 Fälle, die alle erfolgreich abgeschlossen wurden. 2022 waren es bisher 30 Fälle, hier laufen teilweise noch Sanktionen. In einem Fall wurden die Sanktionen nicht erfüllt.
Vor dem Teen Court wird eine Vielzahl unterschiedlicher Delikte verhandelt: Leistungserschleichung (9), Fahren ohne Fahrerlaubnis (15), Diebstahl (31), Trunkenheit im Verkehr (7), Urkundenfälschung (2), Vergehen nach dem Pflichtversicherungsgesetz (2), Bedrohung (3), Beleidigung (6), Erpressung, Sachbeschädigung (7), Verbotenes Kraftfahrzeugrennen (2), Körperverletzung (15), fahrlässige Körperverletzung (2), Nötigung, Fundunterschlagung, Starvereitelung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Vergehen nach dem Kunsturhebergesetz, Gefährdung des Straßenverkehrs, Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz oder gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.
Ebenso vielfältig wie die Gesetzesverstöße sind die Sanktionen, die der Teen Court verhängt: Die Jugendlichen mussten ihre Rechnungen begleichen und Geldbußen leisten, Aufsätze (27) oder Entschuldigungsbriefe (3) schreiben, Sozialstunden erbringen (26), Plakate gestalten (7), an Beratungsgesprächen teilnehmen (Erziehungs- oder Suchtberatung, 8), Gutscheine zur Wiedergutmachung übergeben (2), Interviews führen, sich in einer Fahrschule anmelden, einen Haushaltsplan erstellen, an einem Verkehrskurs teilnehmen, Malkurse im Altenheim anbieten oder sich für eine sinnvolle Freizeitaktivität in einem Turn- oder Sportverein anmelden (3). In 17 Fällen wurde keine Sanktion verhängt. Die Maßnahmen werden individuell auf den jeweiligen Fall und die Tatumstände angepasst. Damit wollen die Schülerrichterinnen und Schülerrichter erreichen, dass sich die Täter mit ihren Vergehen und deren Folgen auseinandersetzen.
Text: Sebastian Schmid