Mitschwingen – mitklingen

Mein historischer Klavierflügel bedurfte einer Generalüberholung. Das Instrument wurde in den vergangenen knapp 150 Jahren gut gepflegt, auch Gussrahmen und Resonanzboden haben die Zeiten unbeschadet überstanden. Arbeit und finanzieller Aufwand sollten sich also lohnen: Klaviatur und Mechanik aufbessern, neuen Stimmstock einbauen, damit die Saiten die Spannung wieder halten, noch ein paar weitere kleine Dinge erledigen und alles müsste wieder passen – und rund klingen.

Während des Sommerurlaubs beherbergte ich also zehn Tage lang einen Klavierbauer in meinem Haus und wir starteten ein handwerklich hoch anspruchsvolles Projekt – in ökumenischer Verbundenheit, denn der Gast ist auch engagierter Pastor einer Baptistengemeinde. Es wurde somit auch ein Glaubensprojekt. Es drängte sich die Frage auf: Was ist unser gemeinsamer Resonanzboden, der die unterschiedlichen Saiten zum Klingen bringt und die Schwingungen weiterträgt? Ist das nicht auch eine Frage für unsere caritativ-soziale Arbeit?

Der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt in seiner Resonanztheorie, dass es um Beziehungen geht, in der sich Personen gegenseitig beeinflussen, ihre Gedanken und Gefühle einbringen können. So wird Entwicklung möglich. Arbeitsverdichtung und Beschleunigung sind für Rosa nicht grundsätzlich problematisch. Wer will schon langsames Internet oder eine langsame Feuerwehr? Bedeutend ist, dass es dieses Miteinschwingen gibt, indem Menschen Anerkennung, Bestätigung, Wertschätzung, Zufriedenheit erfahren. Viele Kolleginnen und Kollegen nehmen nach dem Sommerurlaub wieder ihre Arbeit auf. Neue kommen in unseren Einrichtungen und Diensten hinzu. Alle bringen ihre je eigene „Saitenspannung“ und ihr „Tonspektrum“, mit.

Wünschen wir, dass die Vielstimmigkeit dank eines tragenden Resonanzbodens wohltuend zum Schwingen und Klingen kommt. „Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen.“ (1Kor 12,6)

Georg Deisenrieder