Ein Vierteljahrhundert Erfolgsgeschichte
null Ein Vierteljahrhundert Erfolgsgeschichte
Die Landesarbeitsgemeinschaft Integrationsfachdienste Bayern e. V. (LAG ifd) blickt auf 25 Jahre erfolgreiche Arbeit für Menschen mit Behinderung zurück: Seit einem Vierteljahrhundert unterstützt die Vereinigung diese Zielgruppe bei der Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt. Zur Feier des Jubiläums gab es einen großen Festakt in Lappersdorf (Landkreis Regensburg). Großen Wert legten die Organisatoren der Jubiläumsfeier auf Barrierefreiheit und Inklusion – sowohl für das Publikum als auch auf dem Podium und bei der Auswahl der Dienstleister. Mit ihrem Auftritt bescherte die inklusive Tanz-Company Upside Down den Gästen ein „Fest der Sinne“.
Einen Eindruck von der Veranstaltung liefert der Bericht von TVA.
Im Namen von Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf sprach Amtschef Dr. Markus Gruber und überbrachte die Wertschätzung der Ministerin für die Arbeit der Integrationsfachdienste: „Seit 25 Jahren leisten die Integrationsfachdienste wichtige inklusive Arbeit! Sie beraten Unternehmen und Menschen mit Behinderung als verlässlicher Partner und stärken eine inklusive Arbeitswelt. Ich setze mich für ein Bayern ein, in dem alle Menschen mit oder ohne Behinderung zusammenleben und arbeiten.“ Inzwischen sei der IFD nicht mehr aus dem Engagementfeld wegzudenken und unverzichtbar für die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung am Arbeitsleben. „Darauf können wir mit Stolz und Zufriedenheit zurückblicken“, so Dr. Gruber.
Johannes Magin, Vorsitzender der LAG ifd, gab im Vortrag Impulse zur aktuellen Situation und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen: „Der gesetzliche Auftrag der IFD ist sehr umfassend. Man kann sagen, dass alle beruflichen Situationen von Menschen mit Behinderung dazu gehören, von den Schülerinnen und Schülern in der beruflichen Orientierung bis zu Menschen in der letzten Phase des Berufslebens. In 25 Jahren ist gewaltig viel passiert: Wir haben zwar noch keinen Arbeitsmarkt, aber die Zahl der Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderungen einstellen, hat zugenommen, ebenso wie das Wissen über die Förderleistungen.“
„Der Arbeitskräftemangel öffnet Türen, dennoch sollte bei der Einstellung von Arbeitnehmern in erster Linie die Qualifikation eine Rolle spielen und erst in zweiter Linie eine Behinderung“, so Magin weiter. „Teilhabe am Arbeitsleben ist ein Menschenrecht und davon sind wir noch weit entfernt.“ Rund 173.000 Unternehmen in Bayern seien gesetzlich verpflichtet, fünf Prozent ihrer Stellen mit Menschen mit Behinderung zu besetzen, nur 40 Prozent erfüllen diese Quote. 25 Prozent beschäftigen keinen entsprechenden Mitarbeiter.
Andreas Backhaus, stellvertretender Vorsitzender der LAG ifd, stellte die individualisierte und lösungsorientierte Arbeitsweise der Integrationsfachdienste heraus: „Teilhabe am Arbeitsleben ist ein breiter Bereich, in dem die Integrationsfachdienste tätig sind: Durch ihre individualisierte Herangehensweise können sie den Klientinnen und Klienten maßgeschneiderte Leistungen anbieten und ihnen helfen, ihr Potenzial optimal auszuschöpfen. Dafür braucht man erfahrenes Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Fachwissen. Den Kostenträgern kann ich nur empfehlen: Habt Mut und investiert in Personal. Ich hoffe, dass die Integrationsfachdienste ihre 25-jährige Erfolgsgeschichte fortsetzen werden und weiterhin zu einer gerechten Gesellschaft beitragen.“
KJF-Direktor Michael Eibl nutzte die Gelegenheit, den Mitarbeitenden der Integrationsfachdienste zu danken: „Seit 25 Jahren setzen sich die Integrationsfachdienste für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ein. Sie leisten dadurch einen unverzichtbaren Beitrag, um diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben und ein geregeltes Einkommen zu ermöglichen. Dafür danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Netzwerkpartnern, ohne die diese Erfolgsgeschichte nicht möglich gewesen wäre.“
„Teilhabe am Arbeitsleben in unserer Gesellschaft ist gleichbedeutend mit Teilhabe am Leben“, sagt Martina Wagner-Stragies, Vorständin der LAG ifd. „Ein Baustein unseres Erfolgskonzeptes ist es, Arbeitgebende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung bereits vor Beschäftigungsbeginn umfassend zu informieren, zu beraten und für die jeweiligen Erfordernisse zu sensibilisieren.“ Das Ziel sei es, mit Beteiligten gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Dabei behielten die über 300 Integrationsfachberaterinnen und -berater in Bayern tagtäglich sowohl die Bedürfnisse der Arbeitgebenden wie auch die der Arbeitnehmenden im Blick und platzierten Menschen mit Behinderung passgenau am Arbeitsplatz, damit sie ihre Fähigkeiten im Betrieb voll einbringen können.
„Krisen wie Corona, die Energiekrise aber auch der stetig steigende Fach- und Arbeitskräftemangel und die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt verlangen vom ifd eine ständige Anpassung an die arbeitsmarktrelevanten Veränderungen“, führt Wagner-Stragies aus. „Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Auftraggebern, den Inklusionsämtern Bayerns, den Rehabilitationsträgern und den Arbeitsagenturen in Bayern, sind wir gut vernetzt und können schnell reagieren. Dennoch benötigen die bayerischen Integrationsfachdienste, die gewohnte Kontinuität der Beauftragungsmodalität und -situation, um weiterhin so erfolgreich agieren zu können, und somit fortwährend Menschen mit Handicap bei der Teilhabe am (Arbeits-)Leben zu unterstützen.“
"Wann wenn nicht jetzt!"
In einem hochkarätig besetzten Podiumsgespräch, das KJF-Direktor Michael Eibl moderierte, gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf aktuelle Entwicklungen der Sozialpolitik ein: Dr. Peter Mozet, Referatsleiter am Bundesministerium für Arbeit und Soziales, begrüßte es, dass die Abgabe für Firmen, die keinen einzigen Menschen mit Behinderung beschäftigen, verdoppelt werden soll. Dr. Markus Gruber, Amtschef am Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales berichtete: „Ich kenne Firmen, die schon vor fünf Jahren begonnen haben, Menschen mit Behinderung einzustellen. Heute sind sie froh, dass sie diese Arbeitskräfte haben und auf eingespielte Kontakte und Mechanismen zurückgreifen können.“ Holger Kiesel, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, sagte: „In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel, Unternehmer sollten jetzt handeln und die Chance nutzen, die die Integrationsfachdienste bieten.“ Ähnlich äußerte sich Klaus Beier, Geschäftsführer operativ und stellvertretender Leiter der Regionaldirektion Bayern der Agentur für Arbeit: „Wann wenn nicht jetzt!“ Eines der Unternehmen, die konsequent auf Inklusion setzen, ist die Lüdecke GmbH. Christine Birner, Werkstätten- und Inklusionsbetreuerin, berichtete aus der Praxis: „Wir haben unsere Montageanleitungen in Leichter Sprache verfasst und für Menschen, die Einschränkungen beim Lesen haben, bieten wir Videos an. Das hilft uns vor allem in der Ausbildung. Mit der Arbeit der Integrationsfachdienste bin ich sehr zufrieden, vor allem bei der Bürokratie stellt die Zusammenarbeit eine enorme Entlastung dar. Allerdings sollte man für Menschen mit Behinderung die Möglichkeit schaffen, den ersten Arbeitsmarkt unkompliziert auszuprobieren.“
Künstliche Intelligenz wird auch auf dem Arbeitsmarkt eine immer größere Rolle spielen – wie die Integrationsfachdienste darauf reagieren müssen, war ein weiteres Thema der Diskussionsrunde: Regine Zille, Vorstandsvorsitzende des Bayerischen Cochlea-Implantatverbands, sieht Chancen und Risiken in der Technologie: „Automatische Spracherkennung stellt Teilhabe sicher, wenn kein Dolmetscher verfügbar ist. Bald sollen hier auch Avatare verfügbar sein, die Entwicklung ist im Gange, aber braucht noch Zeit. Dialekte versteht die Software bisher noch nicht und auch der Datenschutz ist schwierig, etwa bei vertraulichen Besprechungen.“ Für Martina Wagner-Stragies steht fest: „Wir müssen uns mit den neuen Assistenzsystemen und die Entwicklung genau verfolgen.“ Lothar Weigel, Teamleiter am Inklusionsamt, sieht die IFD dafür gut aufgestellt: „Es gibt die Möglichkeit, flexibel zu reagieren und einzelne Projekte zu fördern.“
Zahlen, Daten, Fakten zur LAG ifd
Am 6. Mai 1998 wurde die LAG ifd Bayern e. V., damals noch unter dem Namen „Integrationsfachdienst Bayern e. V.“ aus der Taufe gehoben und in der Gründungsversammlung durch die sieben Gründungsmitglieder beschlossen. Aus den ehemals sieben Gründungsmitgliedern des „Integrationsfachdienst Bayern e. V.“ sind 2023 mittlerweile 15 Träger und Gesellschaften der bayerischen Sozialwirtschaft Mitglied in der „Landesarbeitsgemeinschaft Integrationsfachdienste Bayern e. V.“. Der IFD in Bayern besteht aus elf Diensten mit insgesamt 40 Standorten. Im Jahr 2022 berieten, unterstützten und vermittelten 320 IFD-Beratungskräfte in rund 13.200 Fällen. Knapp 10% der Beratungskräfte hatten selbst den Schwerbehindertenstatus.
Im Kontext Teilhabe am Arbeitsleben ist der IFD grundsätzlich für alle Menschen mit Behinderungen, die einen besonderen Bedarf an arbeitsbegleitender Unterstützung haben, der richtige Ansprechpartner. Je nach Problemstellung und Leistungsträger ist der Schwerbehindertenstatus eines Ratsuchenden für weitergehende Hilfen erforderlich. Die Leistungsträger, also die Stellen, die die Arbeit der IFD finanzieren, sind die Inklusionsämter, die Agentur für Arbeit und Jobcenter, Unfallversicherungen, Rentenversicherungen, Berufsgenossenschaften oder überörtliche Sozialhilfeträger (Bezirk).
80 Prozent Erfolgsquote bei beruflicher Sicherung
Die Aufgaben der IFD können vereinfacht dargestellt in drei Bereiche unterteilt werden: „Berufliche Sicherung“, „Vermittlung“ und „Übergänge“.
„Berufliche Sicherung“ mit 80%-iger Erfolgsquote: findet immer dort statt, wo ein bestehendes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen aus welchen Gründen auch immer (personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt) in Schwierigkeiten gerät. Steht gar eine Kündigung an, ist der Arbeitgeber per Gesetz verpflichtet, das Inklusionsamt zu informieren, das seinerseits den IFD beauftragen kann. Idealerweise beginnt die Zusammenarbeit bereits viel früher. Arbeitgeber wie schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich direkt an den IFD wenden. Ziel ist immer die dauerhafte Sicherung des Arbeitsplatzes. Im Jahr 2022 gelang eine Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse in knapp 80% der Fälle.
Bei der „Vermittlung“ konzentriert sich der IFD darauf, zusammen mit der Klientin oder dem Klienten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu finden, die die Art und Schwere der Behinderung des arbeitssuchenden Menschen berücksichtigt. Der Hauptauftraggeber ist hier die Agentur für Arbeit, aber auch andere Rehabilitationsträger. Dabei arbeiten die IFD eng mit regionalen Arbeitgebern zusammen, um geeignete Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erschließen.
Der Bereich der „Übergänge“ hat auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zum Ziel, fokussiert dabei aber eine ganz bestimmte Zielgruppe. Schwerbehinderten Schulabgängerinnen und Schulabgängern sowie schwerbehinderten Beschäftigten aus Werkstätten für Menschen mit Behinderung soll die Chance eröffnet werden, mit entsprechender intensiver und individueller Unterstützung durch den IFD ihren Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das mit dem BTHG eingeführte „Budget für Arbeit“ an Bedeutung.
Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) in Trägerschaft der IFD
Anfang 2022 ist in Bayern den IFD die Trägerschaft der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber übertragen worden. Die EAA informieren, beraten und unterstützen bayerische Arbeitgeber bei Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. 12 EAA Anlaufstellen in Bayern haben in 2022 knapp 5.600 Kontakte mit Arbeitgebern hergestellt. Diese setzen sich zusammen aus niedrigschwelligen Informationsangeboten (gut 4.000) und konkreten Arbeitgeberberatungen sowie bedarfsorientierten Unterstützungsleistungen für Arbeitgeber rund um die Einstellung von schwerbehinderten Menschen (etwa 1.600).
Text: Sebastian Schmid/Regina Bäumler