null Die Kinderärzte und die Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) konzipierte die Ausstellung „Im Gedenken der Kinder. Die Kinderärzte und die Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit“ bereits im Jahr 2010. Seitdem war sie als Wanderausstellung an über 20 Orten zu sehen. Professor Dr. Michael Melter, ehemaliger Direktor der Kinder-Universitätsklinik für Ostbayern – KUNO, eröffnete die Ausstellung in der Galerie St. Klara der Katholischen Jugendfürsorge in Regensburg. Dort ist sie an den kommenden drei Sonntagen, jeweils von 14:00 bis 17:00 Uhr bis 14. Dezember 2025 zu sehen. Die Ausstellung bietet Raum für Gedenken, Einordnung und kritische Auseinandersetzung.

v.l. KJF-Direktor Michael Eibl, Musiker Sepp Frank, Prof. Dr. Michael Melter, Dekan Jürgen Breu und Dekan Unviersität Regensburg Fakultät Medizin Prof. Dr. Dirk Hellwig  (Foto: Christine Allgeyer)


Für die breite Resonanz bei den beteiligten Einrichtungen, die sich sozial für Kinder in Regensburg engagieren, bedankte sich Professor Dr. Melter in seiner Eröffnungsrede herzlich. Jörg Breu, Dekan des Donaudekanats und 1. Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerks Regensburg e. V., erzählte in seinem Grußwort zunächst von seinen Erfahrungen als Lehrer an einem Förderzentrum. Dort habe er mit den Schülerinnen und Schülern über die Aktion „T4“ im Unterricht gesprochen: „Das waren doch Kinder wie wir …“

Die Ausstellung erinnert an die systematischen Tötungen von kranken und behinderten Kindern ab 1939/40. Nach der nationalsozialistischen Rassenideologie wurden in Deutschland über 10.000 Kinder unmenschlich gequält und ermordet. Die NS-Euthanasieverbrechen an Kindern begannen 1939 mit einer amtlichen Meldepflicht für Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen bis zu drei Jahren. Auf den Ausstellungstafeln ist darüber zu lesen, wie der sogenannte „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ über die Einweisung von Säuglingen und Kindern in „Kinderfachabteilungen“ in Kinderkliniken oder Heil- und Pflegeanstalten entschieden hat. Über 5.000 Kinder wurden für Experimente missbraucht und getötet. Ihre Organe wurden nach dem Tod zu Forschungszwecken verwendet. Kinder wurden darüber hinaus auch Opfer der Gasmordaktion „T4“.

Thomas Beddies schreibt im Vorwort des Ausstellungskatalogs: „Die historisch-kritische Auseinandersetzung ist wesentlich, um die Erinnerung an die Opfer der NS-Medizinverbrechen wach zu halten und ihrer angemessen zu gedenken. Erst durch eine beharrliche, intensive und auch Widerstände überwindende Forschungsarbeit konnten in den vergangenen Jahren die Dimensionen der Verbrechen deutlich gemacht werden. Die Täter wurden benannt und die Strukturen der Absonderung und Vernichtung beschrieben, denen zahllose kranke und behinderte Kinder ausgeliefert wurden. Gleichzeitig wurden die Opfer namhaft gemacht und vor dem Vergessen bewahrt.“

KJF-Direktor Michael Eibl bedankte sich bei den Organisatoren der Ausstellung für die Initiative, diese nach Regensburg zu holen: „Die Ausstellung im Gedenken der Kinder ist ganz besonders wichtig angesichts unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation. Unser Bezirkstagspräsident sagte vor Kurzem, es reiche nicht nur zu gedenken und zu schweigen, wir müssen auch die Stimme erheben.“ Mit der aktuellen Ausstellung geschehe genau dieses: Menschen werden bewegt und eingeladen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Angesprochen seien insbesondere auch Schulklassen so Eibl weiter.

Auch die Katholische Jugendfürsorge hat eine Ausstellungsreihe und einen Film im Gedenken der Opfer der „T4“-Tötungsaktion konzipiert. KJF-Direktor Michael Eibl erzählt davon in seinem Grußwort. Hintergrund war die Übernahme der Einrichtung Antoniusheim Münchshöfen vor 20 Jahren. Deren Geschichte und der dort lebenden Frauen in den Jahren während des NS-Regimes hat eine Projektgruppe recherchiert und aufbereitet. 90 Frauen wurden von dort abgeholt, über Mainkofen nach Schloss Hartheim verbracht und getötet. „Die Bewohnerinnen und Bewohner in die Aufarbeitung einzubeziehen, war uns sehr wichtig“, so Eibl. Eine Fahrt mit ihnen nach Schloss Hartheim wird er nicht vergessen: „Heute hätte man uns weggebracht …“. Im Gedenken der getöteten Frauen hat die KJF Tafeln mit deren Namen aufgestellt. Diese haben die heutigen Bewohnerinnen und Bewohner des Antoniusheim selbst geschrieben. So bleibt, was damals passiert ist, in Erinnerung und ist zugleich eine Mahnung, dass solche Greuel niemals wieder passieren dürfen.

 

Weiterführende Informationen

Die Präsentation der Ausstellung in der Galerie St. Klara in Regensburg für ganz Ostbayern haben folgende Partnerinstitutionen und Organisationen auf den Weg gebracht: das Evangelische Bildungswerk Regensburg in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e. V., die Stadt Regensburg – Stabsstelle Gedenk- und Erinnerungsarbeit sowie Extremismusprävention, der Lehrstuhl und die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg, die Stiftung Kinder-Universitätsklinik für Ostbayern – KUNO und die Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V.

Öffnungszeiten der Ausstellung: Galerie St. Klara, Kapuzinergasse 11, Regensburg an den kommenden drei Sonntagen, jeweils von 14:00 bis 17:00 Uhr: 30.11., 7.12. und 14.12.2025. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Hinweis für Schulen: Für Schulklassen sind auf Anfrage gesondert Führungen möglich. Interessierte Lehrkräfte wenden sich bitte an das Sekretariat des EBW Regensburg: E-Mail: ebw@ebw-regensburg.de, Telefon: 09 41 5 92 15-0

Begleitveranstaltung zur Ausstellung: Dienstag, 2. Dezember 2025 um 19 Uhr im Bonhoeffersaal im Evangelischen Bildungswerk Regensburg (Am Ölberg 2) eine Begleitveranstaltung zur Ausstellung statt. Nähere Infos unter www.ebw-regensburg.de

Ausstellungsraum Galerie St. Klara mit Gästen
Foto: Christine Allgeyer

Text: Christine Allgeyer