null Die Beratungsstellen der KJF ziehen Bilanz

Die Beratungsstellen für Kinder, Eltern und Jugendliche der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e. V. haben eine Bilanz ihrer Arbeit im zweiten Pandemie-Jahr gezogen. „Die Aufarbeitung der Pandemie-Folgen ist in vollem Gange“, sagte Dr. Hermann Scheuerer-Englisch, der fachliche Sprecher der Beratungsstellen, beim Jahrespressegespräch in Regensburg.  „Die Beratung von Familien in schwierigen Lebenslagen hat durch die Pandemie eine besondere Brisanz bekommen“, stellte KJF-Direktor Michael Eibl einleitend fest.  „Dass die Einrichtungen es geschafft haben, immer nahe an den Familien zu sein, verdient höchsten Respekt.“ 

KJF-Direktor Michael Eibl, Dr. Joachim Weiß, Leiter der Beratungsstelle Rottal-Inn, Brigitta Hable, Leiterin der Beratungsstelle Kelheim, Elvira Köglmeier, Sozialpädagogin an der Beratungsstelle Kelheim und Dr. Hermann Scheuerer-Englisch, der fachliche Sprecher der Beratungsstellen (Foto: Sebastian Schmid)

So wandten sich im vergangenen Jahr 4.501 Familien mit Kindern und Jugendlichen in Präsenz an eine der zehn Beratungsstellen der KJF. Die Beratungsstellen haben mit 1.795 (39,9 Prozent) beratenen jungen Menschen die durch Corona besonders belastete Gruppe ab dem zwölften Lebensjahr sehr gut erreicht, gefolgt mit 1.618 (35,9 %) der Gruppe 6-11-jährigen Schulkinder. Ein knappes Viertel der Ratsuchenden waren Eltern von Babys und kleinen Kindern (1.078; 24 Prozent). Die weitere Statistik der Beratungen   zeigt, dass 36,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwuchsen, 50,9 Prozent der jungen Menschen erlebten eine Trennung der Eltern. Um ihre Angebote auch während der Pandemie aufrecht zu erhalten, setzen die Einrichtungen vermehrt auf Beratung per Telefon, Videokonferenzen, Chats oder E-Mail.  Rund 20 Prozent der Beratungen finden inzwischen auf diesem Weg statt. Das soll auch künftig so bleiben. „Für getrennt lebende Eltern haben sich diese Formen als sehr nützlich erwiesen“, erklärte Hermann Scheuerer-Englisch. In den Gesprächen mit den hilfesuchenden Eltern, Kindern und Jugendlichen zeichnen sich die Folgen der Pandemie oftmals deutlich ab. „Die Eltern sind nach zwei Jahren Pandemie erschöpft und am Rande der Belastungsgrenze. Wutausbrüche, Depressionen und Schulvermeidung haben bei den Jugendlichen stark zugenommen“, so Scheuerer-Englisch. 

Diese Tendenz stellt auch Dr. Joachim Weiß, Leiter der Beratungsstelle Rottal-Inn fest: „Die Zahl der Jugendlichen, die unter Mediensucht leiden, ist als Folge der Pandemie ist stark gestiegen.“ Mit speziellen Angeboten, etwa der Aktion „Be You Again“ versucht die Beratungsstelle gegenzusteuern. „Dabei ist es uns wichtig, den Jugendlichen auf Augenhöhe und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu begegnen“, sagt Dr. Weiß. Das Projekt zielt auf das gesamte Spektrum von Süchten ab, denn auch der Konsum von legalen und illegalen Drogen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Alkoholsucht ist die am weitesten verbreitete Sucht bei Jugendlichen, dicht gefolgt von der Abhängigkeit von Cannabis und Nikotin. Innerhalb der illegalen Substanzen ist Cannabis die mit Abstand am häufigsten konsumierte Droge. Mehr als jeder zehnte Zwölf- bis 17-Jährige (10,4 Prozent) konsumiert regelmäßig Cannabis. Bei den jungen Erwachsenen steigt der Anteil sogar auf fast die Hälfte (46,4 Prozent).

 

"Krisenchat" und schnelle Terminvergabe für gefährdete Jugendliche
Nachdem depressive Störungen und suizidale Tendenzen bei Jugendlichen in den letzten zwei Jahren der Pandemiezeit eindeutig zugenommen haben, rückt auch dieses Thema in den Fokus der Beratungsstellen. „Suizid ist bei Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache – nach Verkehrsunfällen“, berichtete Dr. Weiß. „Jugendliche Suizidgedanken bekommen sehr zeitnah – meist am selben Tag – einen Termin.“ Um die Betroffenen möglichst gut und niedrigschwellig zu erreichen, bieten die KJF-Beratungsstellen Regensburg und Rottal-Inn offene Sprechstunden für Jugendliche an, die Beratungsstelle Rottal-Inn außerdem einen „Krisenchat“. 

Elvira Köglmeier, Sozialpädagogin an der Beratungsstelle Kelheim, berichtete von den Erfahrungen mit der „Aufsuchenden Erziehungsberatung“, die 2019 ins Leben gerufen wurde: „Um die Hürden für die Betroffenen zu senken, bieten wir in landkreisweit 16 Kitas Sprechstunden an.“ Die Bandbreite der Themen, die mit den Eltern besprochen werden, ist vielfältig: Trotzphasen, Schlaf- und Fütterprobleme, traumatische Familienereignisse.  „In der vertrauten Umgebung der Kita fällt es den Eltern meist viel leichter, über ihre Anliegen und Probleme zu sprechen“, so Köglmeier. „Für die Eltern ist es oft bereits eine Entlastung, wenn sie sich ihre Sorgen von der Seele reden können – wenn ihnen jemand zuhört.“
Die Leiterin der Beratungsstelle Kelheim, Brigitta Hable, ging auf das neu geschaffene Feedback-System ein, mit dem die Beratungsstellen die Qualität ihrer Arbeit messen wollen. Dazu wurden Briefkästen angebracht, in denen die Betroffenen ihre Rückmeldungen abgeben können.  Für Kinder liegt ein kindgerecht gestalteter Fragebogen vor, bei dem sie bunte Emojis ankreuzen können, wie sie die Beratung empfunden haben. Zusätzlich können sie auch Kommentare abgeben. Diese sind oft sehr gefühlvoll: „Lääääänger!“ oder „Ich habe mich jeden Tag gefreut wenn ich Familienberatun hate“ oder „Bleiben Sie, wie Sie jetzt sind und bleiben Sie gesund.“ Neu ist auch die Möglichkeit, über die Homepages der Beratungsstellen Lob und Kritik zu äußern. Die Rückmeldungen bestätigen die Wirksamkeit der Familienberatung. „Viele Betroffene bestätigen eine signifikante Verbesserung“, wie Brigitta Hable berichtete.

Text: Sebastian Schmid