null Der Oberpfälzer Weg ist ein Weg des Dialogs

170 Fachkräfte aus der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nahmen am Oberpfälzer Fachtag „Auf dem Weg zu einem inklusiven Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“ im marinaforum Regensburg teil. Bezirkstagspräsident Franz Löffler eröffnete die Veranstaltung als eine weitere Etappe auf dem „Oberpfälzer Weg“, in dem Experten aus dem Bereich Jugendhilfe und aus dem Bereich Eingliederungshilfe in engem Austausch stehen, um die gleichberechtigte Teilhabe junger Menschen mit einem Hilfe- und Förderbedarf in künftig einem Hilfesystem zu ermöglichen.

170 Teilnehmer waren ins marinaforum gekommen, um sich über den Weg zu einem inklusiven Kinder- und Jugendstärkungsgesetz auszutauschen. (Foto: Christine Allgeyer)

Das Wohl des Kindes steht über allem, das machte Bezirkstagspräsident Franz Löffler deutlich. Im komplexen System der Hilfen für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen dürften Zuständigkeitsfragen nicht auf dem Rücken der Kinder und ihrer Eltern ausgetragen werden. Mit einer Kooperationsvereinbarung haben sich der Bezirk, die Landkreise und kreisfreien Städte in der Oberpfalz 2012 verständigt und auf den „Oberpfälzer Weg“ gemacht, um Familien und ihre Kinder gut zu versorgen. Zuletzt wurde diese Vereinbarung im Mai 2022 überarbeitet, um Klarheit in den Zuständigkeiten zu schaffen, Verwaltungsprozesse zu beschleunigen und Eltern schnell Sicherheit über die Finanzierung erforderlicher Unterstützungsleistungen zu geben. „In 99 % der Fälle gelingt uns dies sehr gut“, so Löffler.

v.li. Moderator Dr. Volker Sgolik (Leiter des Amts für Jugend und Familie der Stadt Regensburg), Berthold Kellner (Lebenshilfe – Bezirkssprecher), Michael Eibl (Direktor Katholische Jugendfürsorge), Dr. Klaus Grantner (Landeselternbeirat), Dr. Christian Lüders (Vorsitzender Landesjugendhilfeausschuss), Thomas Schieder (Leiter Kreisjugendamt Amberg-Sulzbach), Marje Müldner (Leiterin der Bezirkssozialverwaltung), Moderatorin Anna Magin (Referatsleiterin Bezirkssozialverwaltung Bezirk Oberpfalz) (Foto: Christine Allgeyer)

Dr. Christian Lüders, Vorsitzender des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses berichtete von den Reformen des KJSG. Es sieht darüber hinaus vor, dass es ein weiteres Gesetz, die dritte Stufe, geben wird, die die Eingliederungshilfe mit der Jugendhilfe zusammenführt, nachdem die zweite Stufe, die Einführung von Verfahrenslotsen ab 2024, realisiert wurde. Die Bundesregierung will Stufe drei zum Ende der Legislaturperiode bis Herbst 2025 verabschieden. Ob das Gesetz wirklich kommt, da wollte sich Dr. Christian Lüders nicht festlegen. Ob der Komplexität des Hilfesystems in der Eingliederungshilfe mit all seinen Schnittstellen und des anspruchsberechtigen Personenkreises sind in der Tat noch viele Fragen offen. Dies ging auch deutlich aus dem Beitrag von Dr. Benedikt Schreiner, Direktor der Verwaltung des Bezirks Oberpfalz, hervor. Trotz der Hürden auf dem Weg zu einem inklusiven KJSG war eines jedoch deutlich zu spüren: der Gestaltungswille der beteiligten Partner, gemeinsam zum Wohle der Kinder Lösungen zu finden. So vereinbarten die Referenten der Veranstaltung und Marje Mülder, Leiterin der Bezirkssozialverwaltung, sich weiter intensiv über die nächsten konkreten Schritte zur Verbesserung der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in der Oberpfalz auszutauschen.

 

Leitgedanke Inklusion

Mit dem am 10.6.2021 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) sollen Verbesserungen für junge Menschen und ihre Familien, die besonderen Unterstützungsbedarf haben, erreicht werden. Im Mittelpunkt des KJSG steht EIN Hilfesystem für alle Kinder und Jugendlichen, egal ob mit oder ohne Behinderung. Inklusion zu verwirklichen, ist dem Gesetz als Leitgedanke zugrunde gelegt. Dr. Klaus Grantner, 1. Vorsitzender des Vorstands des Landeselternbeirats der Schulen und schulvorbereitenden Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung in Bayern e.V., brach beim Fachtag eine Lanze für den bayerischen Weg der Inklusion, in dem neben einer inklusiven Beschulung im Regelschulsystem auch spezialisierte Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen wie Förderzentren mit ihren differenzierten Angeboten in Schule, Tagesstätte und Therapie ganz auf die Bedürfnisse der Kinder abgestellt sind.

v.li. Berthold Kellner (Lebenshilfe – Bezirkssprecher), Michael Eibl (Direktor Katholische Jugendfürsorge), Dr. Christian Lüders (Vorsitzender Landesjugendhilfeausschuss), Dr. Volker Sgolik (Leiter des Amts für Jugend und Familie der Stadt Regensburg), Thomas Schieder (Leiter Kreisjugendamt Amberg-Sulzbach), Anna Magin (Referatsleiterin Bezirkssozialverwaltung Bezirk Oberpfalz), Marje Müldner (Leiterin der Bezirkssozialverwaltung, Dr. Klaus Grantner (Landeselternbeirat) (Foto: Christine Allgeyer)

KJF-Direktor Michael Eibl zeigte an Praxisbeispielen auf, wie Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung in Förderzentren der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg gemeinsam unterrichtet und gefördert werden und in Wohngruppen zusammenwohnen. Leistungsträger ist der Bezirk für die Eingliederungshilfe oder das zuständige Jugendamt. Beide haben mit dem Einrichtungsträger lösungsorientiert zusammengearbeitet und gemeinsam inklusive Rahmenbedingungen geschaffen. Eibl sensibilisierte für das Risiko aufwändiger Verfahren, die mehr Personal erforderlich machen – in Zeiten des Fachkräftemangels kaum bewältigbar.

 

Hilfen aus einer Hand – je früher, desto besser

An einem weiteren Fallbeispiel machte Bereichsleiter Gerhard Seitz von der Lebenshilfe Neumarkt deutlich, dass komplexe Diagnosen bei Kindern mit Behinderungen und deren Verläufe die Hilfesysteme vor große Herausforderungen stellen. Schnittstellenprobleme bedeuteten Entwicklungsverzögerungen. Ungeklärte Zuständigkeiten und Verfahren gehen zu Lasten der Kinder. Frühe und schnelle Hilfen, so das Plädoyer von Gerhard Seitz, sind zum Wohle der betroffenen Kinder und ihrer Familien erforderlich. In der Umsetzung des KJSG bestehen nach fast zwei Jahren Gültigkeit weiterhin Unsicherheiten hinsichtlich der in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe neu zu regelnden Verfahren. Die Verfahrensfragen sollen über Verfahrenslotsen geklärt werden. Das KJSG sieht vor, dass diese ab 1. Januar 2024 ihre Arbeit aufnehmen. Im Beitrag „Praxis auf dem Weg: Erfahrungsbericht – Modellprojekt Verfahrenslotsen am Modellstandort Kreisjugendamt Amberg zeigte Jugendamtsleiter Thomas Schieder mit zwei Verfahrenslotsinnen Aufgaben und Umsetzung in Amberg auf. Ebenfalls aus der Praxis berichtete Florian Kaiser, Referent im Bayerischen Landesjugendamt, zum Ombudschaftswesen, das schon vor Inkrafttreten des KJSG in Bayern auch als Modellprojekt gestartet wurde. Hier geht es um mehr Beteiligung der jungen Menschen und ihre Beschwerderechte.

Durch die Veranstaltung führten die Referatsleiterin der Bezirkssozialverwaltung Anna Magin und Dr. Volker Sgolik, Amtsleiter des Amts für Jugend und Familie. Der Bezirk Oberpfalz, die Heimaufsicht der Regierung der Oberpfalz, das Amt für Jugend und Familie der Stadt Regensburg im Auftrag der Oberpfälzer Jugendämter, die Lebenshilfe Neumarkt und die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg hatten in Kooperation den Fachtag organisiert.

Text: Christine Allgeyer