null „Menschlichkeit gerät aus den Fugen“

Der abscheuliche Anschlag von Solingen hat die politische Debatte über Migration in unserem Land und über das Asylrecht in der Bundesrepublik Deutschland erheblich verschärft. In Zeiten von Krisen und Unsicherheit sind Besonnenheit, Rechtsstaatlichkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt gefragt. Die Freie Wohlfahrtspflege warnt eindringlich davor, die Grundlagen unserer Demokratie durch Angst und Verunsicherung zu untergraben und appelliert an alle politischen Akteure, ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht zu werden und die Einheit der Gesellschaft zu wahren. Eine Versachlichung der politischen Debatte ist dringend erforderlich.

München, den 03.09.2024 - Das Asylrecht als wichtiger Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, geltendes EU-Recht, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention dürfen nicht zum Spielball politischer Kurzschlusshandlungen werden. Das geltende Recht bietet bereits heute den notwendigen Rahmen, um Migration in unserem Land zu steuern. Nicht die geltenden Gesetze sind daher in Frage zu stellen, sondern der Vollzug und die konsequente Anwendung des bestehenden Rechtsrahmens. Dazu gehören eine ausreichende personelle Ausstattung der Ausländerbehörden, ein konsequentes Vorgehen der zuständigen Behörden und der überfällige Ausbau der Strukturen der Asyl-, Integrations- und Migrationsberatung, wie sie von den Wohlfahrtsverbänden geleistet wird.

„Statt sich zu populistischen Positionen verleiten zu lassen, braucht es einen klaren Kopf und eine ruhige Hand, um unsere Gesellschaft in Krisenzeiten zu steuern. Denn das, was wir derzeit erleben, ist eine dramatische Verrohung des gesellschaftlichen Klimas und spielt Extremisten jeglicher Art in die Karten. Die Politik ist gefordert, durch besonnene und sachliche Debatten Brücken zu bauen, statt weitere Gräben aufzureißen und die Verunsicherung in unserem Land zu verstärken“, so Brigitte Meyer, Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern. „Wir müssen feststellen, dass in unserer Gesellschaft und damit in unserem Land derzeit die Menschlichkeit aus den Fugen gerät. Diese Entwicklung ist alarmierend und erfüllt mich auch persönlich mit großer Sorge“.

Die Notwendigkeit der konsequenten Anwendung der Verfahren und gesetzlichen Vorgaben, die mit den europäischen Partnern vereinbart sind, wird von der Freien Wohlfahrtspflege anerkannt. Wohlfahrtsverbände, Kommunen, Landkreise und Städte weisen seit langem auf die Grenzen ihrer Belastbarkeit hin. Diverse „Asyl- und Migrationsgipfel“ haben getagt, aber keine Taten folgen lassen. Statt die dringend benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um Migration und Integration erfolgreich zu gestalten, stehen die Mittel für Beratungs-, Unterstützungs- und Verwaltungsstrukturen immer wieder zur Debatte und sind von Kürzungen bedroht. Hier muss der Staat seiner Verantwortung gerecht werden und die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, damit humanitäre und integrative Arbeit in dem dringend benötigten Umfang geleistet werden kann.

Die Freie Wohlfahrtspflege betont und stellt klar: Ein terroristischer Anschlag von Extremisten, welcher Art auch immer, kann selbstverständlich nicht durch Integrationsarbeit verhindert werden, sondern nur durch die konsequente Anwendung geltenden Rechts und eine entsprechende Ausstattung der zuständigen Vollzugsbehörden. Aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege ist es fatal, wenn mehr als 1,3 Millionen Flüchtlinge in unserem Land unter Generalverdacht gestellt werden und die positiven Aspekte einer gelungenen Zuwanderung, von der unser Land tagtäglich profitiert, ausgeblendet werden.

„Es liegt an uns als Gesellschaft, die Menschlichkeit hochzuhalten, denn sie ist es, die uns in Krisenzeiten zusammenhält und eint. Keine Krise wird durch Spaltung, Angst oder verbales Kräftemessen gelöst. Gefragt sind vielmehr Mut, Zusammenhalt und das gemeinsame Eintreten für unsere demokratischen Werte. Regierung und Opposition, Bund und Länder, vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes müssen zusammenstehen und die Menschlichkeit hochhalten. Wir alle sind gefordert“, so Brigitte Meyer, Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern.

Weiterführende Informationen
In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerische Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert.
Gemeinsam erbringen die Verbände mit über 455.000 hauptamtlichen und rund 136.500 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen rund 75 Prozent aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Rund sechs Prozent aller Beschäftigten im Freistaat, davon allein rund 95.000 in Pflegeheimen und weitere ca. 86.000 in Kindertagesstätten, arbeiten in der Sozialwirtschaft. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.

Quelle: Pressemeldung der Freien Wohlfahrtspflege Bayern