„Lösungen müssen sich an Bedürfnissen orientieren“
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Versprechen sollten eingelöst werden – das gilt auch für die Versprechen von Politikern. Jörg Henzen (FDP), Nicholas Haug (FDP) sowie Helmut Muhr (Freie Wähler) arbeiteten einen Tag in den KJF Werkstätten Mitterfels mit. So kam es dazu: Im Hinblick auf die Bundestagswahl wurde in den Straubinger Werkstätten St. Josef eine Podiumsdiskussion in Leichter Sprache veranstaltet. Hier waren die Kandidatinnen und Kandidaten der Region Straubing-Bogen zu Gast. Alle Teilnehmer haben sich dazu bereiterklärt, einen Tag in einer KJF Werkstätte in verschiedenen Abteilungen mitzuarbeiten. So können sie sich noch eingehender über die Situation der Werkstätten informieren und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Gespräch kommen.

Für die beiden FDP-Politiker startete der Arbeitstag in der Abteilung Montage. Dort verpackten Jörg Henzen und Nicholas Haug Kleinteile für die Automobilindustrie und versahen die Päckchen mit Barcodes. Bei der anschließenden Fragerunde nutzten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätte die Gelegenheit, um ihre vielfältigen Anliegen bei den beiden Politikern zu platzieren. Zur gleichen Zeit stellte Helmut Muhr (Freie Wähler) in der Wäscherei sein Fingerspitzengefühl unter Beweis: Wäsche waschen, trocknen und dann präzise zusammenlegen. Das ist – trotz Faltmaschine – eine schweißtreibende Angelegenheit bei 34 Grad Raumtemperatur.
Beim gemeinsamen Mittagessen war Zeit, die ersten Eindrücke auszutauschen und die Energiereserven wieder aufzufüllen. Am Nachmittag wurden die Abteilungen gewechselt. Nun wartete die dampfende Wäsche auf Henzen und Haug. Beide durften, nach einer kurzen Einführung, Kleidungsstücke mit der Maschine zusammenlegen. Währenddessen war Helmut Muhr in der Abteilung Montage am Start. Zusammen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Werkstätte verpackte er Teile, befüllte Gitterboxen und machte diese für den Weitertransport zum Kunden fertig. Auch der Freie Wähler-Kandidat stellte sich in einer abschließenden Gesprächsrunde den zahlreichen Fragen der Beschäftigten.
Beim Abschlussgespräch mit Evi Feldmeier, die Geschäftsführerin der KJF Werkstätten gGmbH und Werkstatträtin Erika Stelzl kamen zuerst die Gäste zu Wort. Für alle drei Politiker war es das erste Mal, dass sie aktiv in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung mitgearbeitet haben. Alle waren von dem Arbeitsklima, der Arbeitsmoral und der Arbeitsleitung in den Werkstätten beeindruckt. Und alle waren sich einig: „Wir kommen bestimmt wieder!“
Für Jörg Henzen war der Besuch eine persönliche Bereicherung. „Ich war sehr begeistert von allen Menschen, die ich hier getroffen habe. Mit welcher Motivation, mit welcher Herzlichkeit, mit welcher Inbrunst sie hier arbeiten und an den einzelnen Arbeitsstätten ihre Leistung bringen. Meinen größten Respekt!“
Auch für Nicholas Haug war dieser Tag eine einzigartige Erfahrung, die ihn nachhaltig beeinflussen wird – privat und beruflich. Er hat ihm verdeutlicht, wie wichtig Inklusion für unsere Gesellschaft ist. „Diese tollen Menschen haben mir gezeigt, wie stark der soziale Zusammenhalt ist und wie wichtig diese Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Deutschland sind.“ Die beiden Freien Demokraten kommen gerne jedes Jahr wieder, um die Entwicklungen zu verfolgen.

„Betriebe in der freien Wirtschaft wünschen sich solche Mitarbeiter, die sich so mit ihrer Arbeit identifizieren, die so stolz auf ihre Arbeit sind,“ so Helmut Muhr. Er wird sich dafür einsetzten, dass mehr Politiker die Möglichkeit nutzen, eine Werkstätte zu besuchen. „Die Leute wollen gesehen, gehört und wertgeschätzt werden. Da müssen wir ansetzen! Gemeinsam können wir Lösungen finden, die sich an den Bedürfnissen orientieren.“
Schaut euch auch die Förderstätten an!
Erika Stelzl betonte den Stellenwert der Förderstätten im Gefüge der Werkstätten. Die KJF Werkstätten haben an den Standorten Straubing und Eggenfelden Förderstätten für Menschen mit erhöhtem Förderbedarf. Hier werden Erwachsene mit schweren mehrfachen Behinderungen im alltäglichen Leben von pädagogischen Fachpersonal begleitet, unterstützt und gefördert. Evi Feldmeier erklärt, dass diese Menschen von ihrem Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben ausgeschlossen sind, da sie in den Augen des Gesetzgebers keine wirtschaftlich verwertbare Leistung erbringen können. „Ist das richtig? Was ist eine wirtschaftlich verwertbare Leistung?“, stellte Evi Feldmeier zur Diskussion. Erika Stelzl wiederholte ihre Einladung: „Kommt nach Straubing! Schaut euch die Förderstätten an!“
Bürokratieabbau dringend erforderlich
Bei der Gelegenheit gewährt Evi Feldmeier Einblicke in die bürokratischen Abläufe innerhalb einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung. Sie klärt über Betreuungsschlüssel und Entgeltberechnungen auf, sie schildert wie sich der Büroalltag des Fachpersonals aktuell gestaltet und wie er sich aufgrund der neuen Gesetzgebung massiv verändern wird. Die Bruder Konrad Werkstätte ist Modellwerkstatt und bekommt die Auswirkungen schon heute deutlich zu spüren. Das neue Bundesteilhabegesetztes (kurz BTHG) soll Menschen mit Behinderung zu mehr Teilhabe und individueller Selbstbestimmung verhelfen. „Das umfassende Gesetzespaket ist gut gedacht, aber leider nicht gut umgesetzt. Viel zu viel Bürokratie! Ein Bericht, der bisher fünf Seiten lang war, umfasst zukünftig bis zu vierzig Seiten.“ Deshalb fordert Evi Feldmeier: „Bitte unbedingt nachbessern!“
Auch Katja Ziegler, Vertrauensperson des Werkstattrats, macht deutlich, wie sich die Arbeitswirklichkeit des Fachpersonals durch die zunehmende Bürokratie immer mehr verschiebt. „Mittlerweile verbringen wir viel Zeit am Schreibtisch und verfassen seitenlange Berichte. Dafür haben wir keinen sozialen Beruf gewählt. Wir sind hier, um unsere Mitarbeiter zu begleiten, sie zu unterstützen und mit ihnen zu arbeiten.“
Text: Michaela Huber