Meditativer Impuls Mai 2025
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Im Sommer 2024 führte uns in Venedig im Rahmen der Exerzitien zum Thema „Gottes Lichtspuren in Raum – Klang – Farbe“ ein ortskundiger Kollege an einen abgelegenen Kanal hin zu diesem Motiv. An der maroden Fassade eines Palazzos wuchert ein grüner Efeu aus der Wand heraus, der Dachrinne entlang nach oben. Ihm zu Füßen wurde direkt am Wasser ein Graffiti aufgesprayt. Banksy, der seine wahre Identität geheim hält und aktuell zu den teuersten Künstlern der Welt zählt, bekannte sich zu diesem Werk.

Zu sehen ist ein Kind mit Schwimmweste, das eine Fackel hochhält. Genauer betrachtet ist es eine Seenotfackel. Bei anbrechender Dunkelheit fängt die inzwischen schon etwas verwitterte Rauchwolke an rot zu leuchten. Bei Venedigs jährlich zur Winterzeit wiederkehrender Aqua alta steht dem Kind buchstäblich das Wasser bis zum Hals. Die Fackel hochhalten, heißt: Da gibt es Hoffnung auf Rettung, auch wenn es die Lage noch so bedrohlich ist.
In diesem „Heiligen Jahr der Hoffnung 2025“ schauen wir in besonderer Weise auf die Menschen in dieser Welt, die sich nach Hoffnung sehnen. Wir denken auch an jene, die wir in unseren „Kleinklimazonen“, in den caritativ-sozialen Einrichtungen und Diensten oder im eigenen Umfeld begleiten. Manche von ihnen können sich nicht mehr bemerkbar machen, haben keine Kraft mehr oder können aufgrund einer körperlichen Einschränkung nicht den Arm nach oben ausstrecken, um ein Lichtzeichen zu geben oder einen Notruf abzusetzen. Da braucht es ein aufmerksames Auge, eine solidarische Haltung, ein beherztes und gekonntes Eingreifen. Die „Fackel der Hoffnung“ hochhalten macht nur Sinn, wenn es Menschen gibt, die Not sehen und handeln. Sie werden dann selbst zu Lichtbringern und Fackelträgern.
Bei der Trauerfeier für Papst Franziskus am Samstag nach Ostern auf dem Petersplatz beendete Kardinal Battista Re seine Predigtgedanken mit universalem Blick, nicht nur auf die Gläubigen, sondern auf alle Menschen voller Hoffnung und guten Willens, indem er ebenfalls das Bild von der Fackel aufgreift und um Segen bittet:
„Lieber Papst Franziskus, nun bitten wir dich, für uns zu beten und vom Himmel aus die Kirche, Rom und die ganze Welt zu segnen, so wie du es letzten Sonntag vom Balkon dieser Basilika aus getan hast, in einer letzten Umarmung mit dem ganzen Volk Gottes, aber auch im Geiste mit der gesamten Menschheit - der Menschheit, die mit aufrichtigem Herzen nach der Wahrheit sucht und die Fackel der Hoffnung hochhält.“
Text: Georg Deisenrieder