null Meditativer Impuls Dezember 2022

Gleich vorweg: Dieser Impuls ist ungemütlich, aber hoffentlich ehrlich. Auch wenn ich selbst lieber in der wohlig warmen Stube bei einer Tasse Tee die Kerzen am Adventskranz anzünde, musste ich auf diese Baustelle gehen. Die Straßenbauer machten Augen und stimmten großzügig zu, als ich sie fragte, ob ich ein Foto machen dürfte.

Foto: Georg Deisenrieder

Nun lade ich zu einer meditativen Baustellenbegehung ein:
Eigentlich sind Straßenbauer immer im Advent: Sie reißen den Straßenbelag auf und sorgen für neuen Untergrund. Große Maschinen rücken an, tragen Hügel ab und füllen Schlaglöcher auf. Es wird alles planiert und bekommt einen schönen Belag. Und kaum ist die Arbeit erledigt, wird die nächste Baustelle mit Absperrungen und Stahlzäunen gesichert.

Ein vielleicht ungewohntes Bild für den Weg auf Weihnachten zu. Doch soll sich erfüllen, wovon der Prophet Jesaja spricht.

„Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen.
Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken.
Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.
Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“. (Jes 40,3-5)

Dieses große alttestamentliche Wort vom Straßenbau greift auch Johannes der Täufer auf. Jedes Jahr wird es in der Adventszeit gelesen. Was kann es für uns, die wir in der sozial-caritativen Arbeit mit Menschen und nicht mit Baumaschinen arbeiten, bedeuten? „Jede Schlucht soll aufgefüllt werden“: Schlucht kann jede Kluft sein, die sich zwischen Menschen auftut, zwischen Arm und Reich, Beschäftigten und Arbeitslosen, Einheimischen und Flüchtlingen. Adventlich leben, kann heißen, für tragfähiges „Füllmaterial“ und für Ausgleich zu sorgen.

„Jeder Berg und Hügel sich senken“: Wir sind eingeladen, genauer hinzuschauen, wo uns Probleme wie Berge über den Kopf wachsen und die Sicht auf die Richtung und das Ziel versperren, auf das, worauf es letztlich ankommt. Wir wissen, dass Problemberge lähmen können. Deshalb gehen wir sie am besten beherzt Schaufel für Schaufel, Schritt für Schritt an.

„Was krumm ist, soll gerade werden“: Wir sollen keine krummen Wege, Schleichwege und Abwege gehen. Vor allem sollten wir ehrlich sein und den Wirklichkeiten, auch den eigenen Fehlern, ins Auge schauen. Wo es nötig ist, kehren wir um und nehmen den geraden, direkten Weg von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz.

„Was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden“: Die vergangenen knapp drei Pandemie-Jahre haben so manche „Schlaglöcher“ hinterlassen. Das spüren vor allem Kinder und Jugendliche. Sie haben die größte Solidarität in den vielen Wochen ohne Sozialkontakte gezeigt. Geben wir ihnen bitte viel von dieser gezeigten Solidarität zurück und ebnen wir ihnen den Weg in eine gelingende Zukunft.

„Bereitet dem Herrn den Weg“ ist mit einer Hoffnung verbunden: „Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“. Im Stall von Bethlehem kam Gott selbst in diese Welt und wurde Mensch, ein Kind.

Ich wünsche uns Raum und Zeit, dieser Sehnsucht Gottes nach allen Menschen, seinem Kommen nachzuspüren. Gehen wir durch die kommenden Wochen – mit unserer sozial-caritativen Professionalität im Kopf und die Erwartung SEINES Kommens im Herzen. So dürfen wir als adventliche Wegbereiterinnen und Wegbereiter Weihnachten entgegengehen.

 Text: Georg Deisenrieder