Bündelung der Kompetenzen und Abbau von Bürokratismus als Ziele
null Bündelung der Kompetenzen und Abbau von Bürokratismus als Ziele
Schnellerer Zugang zum Arbeitsmarkt, Abbau von bürokratischen Hürden, Ausbau der psychosozialen Betreuung, Vereinfachung der Identitätsklärung, erleichterter Zugang zu Sprachkursen, Schaffung und Bereitstellung von Wohnraum – diese und viele weitere Punkte zur Verbesserung der Situation von Geflüchteten wurden bei der 35. Sitzung des Integrationsforums offen diskutiert. Gemeinsam wird eine weitere Bündelung der Kompetenzen und Fachstellen angestrebt. Die Kooperationsgemeinschaft der Migrationsfachdienste in Stadt und Landkreis Regensburg hatte unter dem Titel „Migrationsgesellschaft Bayern. Wege für die Zukunft“ ins Haus Hemma eingeladen.
Im Mittelpunkt stand der offene Austausch mit den Kandidaten für die Wahl zum Bayerischen Landtag am 8. Oktober 2023. Nach einer von Heike Abt moderierten Podiumsdiskussion mit Tobias Gotthardt (Kandidat FW/Land), Patrick Großmann (Kandidat CSU/Land), Sebastian Koch (Kandidat SPD/Stadt), Jürgen Mistol (Kandidat Grüne/Land), Dr. Merten Niebelschütz (Kandidat Grüne/Land) und Loi Vo (Kandidat FDP/Land) konnten die Politiker im „Zirkeltraining“ – so der Titel des zweiten Veranstaltungsteils – an sechs Thementischen mit den Teilnehmenden der verschiedenen Dienste und Fachstellen diskutieren, die tagtäglich mit Migrantinnen und Migranten arbeiten. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und in einer Schlussrunde vorgestellt.
Unterbringung, Wohnen und Mobilität
„Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung“, ist es im Artikel 106 der Verfassung des Freistaates Bayern zu lesen. Dem entgegen steht die tatsächliche Situation mit einer überlasteten Bauwirtschaft und fehlendem innerörtlichen Wohnraum. Zielsetzung dürfe es nicht sein, Geflüchtete in Gewerbegebieten unterzubringen. Hier muss die Kommunikation mit den Kommunen verbessert werden, um die Durchmischung und letztlich die Integration zu fördern. Von politischer Seite kam die Bereitschaft, noch stärker in den sozialen Wohnungsbau zu investieren bzw. über Wohnbaugemeinschaften geförderten Wohnraum zu schaffen. Für Vermieter solle die Aufnahme von Geflüchteten attraktiver gestaltet werden, Leerstände reduziert werden. Als Möglichkeit diskutiert wurde auch die Lockerung der Wohnsitzauflagen.
Bildung, Kita und Schule
Mit der Beschleunigung von Auszugsgenehmigungen sollte insbesondere die Situation von in Deutschland geborenen und aufwachsenden Kindern und Jugendlichen verbessert werden. Beispielsweise stünde bei ortsnaher Beschulung mehr Zeit für die Einbindung in Vereine oder bei der Feuerwehr am Wohnort zur Verfügung, um die Integration zu beschleunigen. Grundsätzlich sollten wie in anderen EU-Ländern von Anfang an kostenlose Sprach- und Integrationskurse für alle angeboten werden. Als Vorschlag für die Berufsausbildungen sollte der Schwerpunkt stärker auf praktische Inhalte gelegt werden. Parallel wären auf die Schul- und Berufsschulen abgestimmte Förderprogramme wünschenswert.
Psychosoziale Situation
Bislang gibt es in Bayern nur zwei psychosoziale Zentren für mehrfachbelastete Migrantinnen und Migranten, eines in München und eines in Nürnberg. Im Raum Ostbayern besteht eine akute Versorgungslücke, die geschlossen werden muss. Auf diesem Weg müsse auch die Belastung der ehrenamtlich Helfenden und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachstellen berücksichtigt werden. Für die Stadt Regensburg wolle man die verschiedenen Träger, die entsprechende Beratungen anbieten wie beispielsweise die Johanniter, die Malteser, der a.a.a. - Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer oder die Caritas, und somit die Kompetenzen an einem gemeinsamen Ort bündeln, um den Verlust von fachlichen Ressourcen zu vermeiden. Kritisiert wurde mit einem klaren Imperativ an die Politiker, dass es in Bayern, das die meisten Flüchtlinge aufnehme, keine Landesfinanzierung für die psychosoziale Versorgung gebe. Hier müssten gegebenenfalls die Städte und die Landkreise einspringen, um Finanzierungsmöglichkeiten schaffen.
Identitätsklärungen und drohende Rückführungen
Insbesondere bei Härtefällen wie alleinerziehenden Mehrfachmüttern oder vom Menschenhandel betroffenen Flüchtlingen sollte es vor Ort mehr Entscheidungsspielräume zur Abwendung der drohenden Rückführung geben. Was die Identitätsklärungen betrifft, müssten zur Vereinfachung statt des in Bayern geforderten Reisepasses Dokumente wie Geburtsurkunden, Familienstammbücher oder Zeugnisse akzeptiert werden. Die Beschaffung eines Reisepasses sei über zahlreiche Konsulate wie die pakistanische oder die nigerianische Vertretung sehr kompliziert und aufwendig bzw. teilweise nicht möglich.
Arbeit und Beruf
„Egal, ob die Identität geklärt ist, sie können doch arbeiten“, wurde der Umgang mit der Erlaubnis zur Arbeit für Menschen im Asylverfahren oder mit abgelehnten Asylgesuch diskutiert. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie z.B. Spanien, wo Migranten und Migrantinnen beispielsweise in Branchen wie in der Landwirtschaft und im Tourismus sofort arbeiten könnten, gäbe es in Deutschland viel zu hohe Auflagen, damit Geflohene arbeiten dürften. Das Arbeitsverbot habe nach Erfahrung der Fachleute keinerlei Wirkung, außer dass das Sozialsystem belastet werde.
Personalmangel im öffentlichen Dienst
Eine der im Integrationsforum formulierten Erwartungen von der Landes- an die Bundesebene war es, eine Gesetzgebung „aus einem Guss“ oder gleich eine Überarbeitung des Aufenthaltsrechtes anzuregen. Das Aufenthaltsgesetz sei durch Veränderungen und Ergänzungen der letzten Jahrzehnte mittlerweile unüberschaubar geworden, so dass die Bearbeitung von einfachsten Anträgen höchst komplex wurde. Zudem solle die Attraktivität des öffentlichen Dienstes erhöht werden, um neues Personal für die völlig überlasteten Behörden zu gewinnen. Digitalisierung sei in diesem Zuge wichtig, müsse aber der Verbesserung der Qualität und nicht der Einsparung an anderen Stellen dienen. Das Forum bat die Politiker darum, sich auch für Ausgaben und Personalaufbauten außerhalb des öffentlichen Fokus einzusetzen wie z.B. in Justiz und Ausländerbehörden, da diese für eine funktionierende Demokratie grundlegend seien. Die Überlastung von Behörden habe außerdem den Nebeneffekt, dass Migrationsberatungsdienste mehr und mehr abfangen müssten und weniger Raum für ihre eigentliche Arbeit – die Unterstützung der Integration – hätten. Für eine erfolgreiche Arbeit müssten sich die Fachberatungsstellen mit flexiblen Förderprogrammen gemeinsam auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.
Zusammenfassend bedankte sich die Moderatorin Heike Abt bei Politikern und bei den teilnehmenden Fachstellen für den konstruktiven Austausch: „In diesem Raum sind die richtigen Personen zusammen, um das Thema in eine menschliche Richtung zu bringen.“
Text: Nika Krausnick