null Alarmierende Wohnungsnot

Aktuelle Wohnungsdefizite betreffen alle Menschen und insbesondere Menschen mit Behinderung: Gegenwärtig fehlen rund 550.000 Wohnungen pro Jahr. Vor allem kleine, barrierearme und bezahlbare Wohnungen im Preisbereich zwischen sechs und neun Euro Netto-kalt-Miete je Quadratmeter Wohnfläche fehlen. Durch den deutlich rückläufigen Wohnungsbau haben Menschen mit Behinderung nur sehr geringe Chancen auf eine Wohnung des allgemeinen Wohnungsmarktes.
 

Das sind die Kernaussagen des Vortrages „Sozialpolitische Konfliktlinien – Wohnraummangel in Deutschland“ von Matthias Günther vom Pestel Institut in der Fachtagung „Wohnen ist Teilhabe“ der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), die am 22./23. Oktober 2024 in Berlin stattfand. Vor einem ausgewählten Fachpublikum auf der CBP-Fachtagung in Berlin erläuterte Günther die Gründe für den stagnierendem Wohnungsbau und die Entstehung des bundesweiten Defizites von 550.000 Wohnungen. Menschen mit Behinderung sind von dieser Situation besonders betroffen.

Wenn beispielsweise, wie gegenwärtig in Niedersachsen geplant, die Einkommensgrenzen zum Bezug einer Sozialwohnung angehoben werden, dann erweitert dies den Kreis der Berechtigten, ohne dass mehr Sozialwohnungen verfügbar sind. Die primären Zielgruppen, Menschen mit sehr niedrigem Einkommen oder auch Menschen mit Behinderung haben dann noch größere Zugangsschwierigkeiten zu einer Wohnung, weil die Vermieter tendenziell Haushalte ohne Einschränkungen, die knapp unter der Einkommensgrenze liegen, bevorzugen.

Daher ist bei den geschaffenen Sozialwohnungen dringend eine zumindest temporäre Quotierung zugunsten von Menschen mit Behinderung erforderlich: „Wir stecken mitten in Verteilungskämpfen – auch beim Zugang zum Wohnraum, die sich nicht von allein lösen werden: Die Sozialpolitik ist stärker gefordert als in Zeiten, wo es nur um die Verteilung von Zuwächsen ging. Ohne eine von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als gerecht empfundenen Verteilungspolitik ist auch die Demokratie gefährdet. Dafür brauchen wir eine klare Kommunikation von Zielen und Maßnahmen“, resümiert Matthias Günther.

Zusammen mit weiteren Fachexperten und Referenten wurde die aktuelle Wohnraumsituation mit Auswirkungen auf Menschen mit Behinderung analysiert. Ihre Vorträge verdeutlichten die Herausforderungen für die sozialen Träger, die Wohnraum für Menschen mit Behinderung schaffen wollen, um dem bestehenden Defizit jetzt entgegenzuwirken. Gemeinsam mit der Bauwirtschaft und der Politik tauschten sie sich über Strategien für die Schaffung von Wohnraum für Menschen mit Behinderung im Sinne einer inklusiven Gesellschaft aus.

„Der CBP fordert die geplanten Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 2026/2027 unmittelbar einzusetzen. Insgesamt 13 Mrd. Euro jährlich müssen für den sozialen Wohnungsneubau mit einer festen Quote von zehn Prozent für Menschen mit Behinderung und barrierearmen Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, da jetzt der Wohnungsbau am Boden liegt“, fordert Andreas Riess, CBP-Vorstand und Gastgeber der Fachtagung.

Der CBP setzt sich für Sonderbudgets „Sozialer Wohnungsbau“ für Regionen mit besonders hohen Bedarfen ein, da althergebrachte Verteilungssysteme bei der Beseitigung der Wohnungsnot nicht greifen.

„Die Bundesregierung war schon seit Beginn der Legislaturperiode nicht gewillt, für das ausgerufene Ziel von 400.000 neuen Sozialwohnungen auch die notwendigen Bund- und Ländermittel von 50 Mrd. Euro zur Verfügung zu stellen. Sozialer Wohnungsbau ist aber eine Aufgabe, die dauerhaft, über Legislaturperioden hinweg abgesichert werden muss und den sozialen Frieden sichert“, so Dr. Gertrud Hanslmeier-Prockl, stellvertretende Vorsitzende des CBP.

Text: Birte Struntz