null „Wir möchten von der Politik gesehen werden und brauchen entsprechende Hilfen!“

 Zum Ende des Schuljahres hatte die Elternbeiratsvorsitzende Cornelia Weigert des Bischof-Wittmann-Zentrums der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) in Regensburg an einen Runden Tisch eingeladen. Landtagsabgeordnete aus sieben Fraktionen, Kommunalpolitikerinnen und -politiker sowie Vertreter der Regierung nahmen teil. Insgesamt 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter KJF-Direktor Michael Eibl, Fachabteilungsleitungen der KJF, Elternbeiräte und leitende Mitarbeiterinnen aus Förderzentren der KJF tauschten sich intensiv zu den drängendsten Herausforderungen aus. Das Thema Fachkräftemangel dominierte die Diskussionen.

Foto: Christine Allgeyer

Für mehr Anerkennung von Kindern mit Behinderungen in unserer Gesellschaft

„Unsere Kinder haben keine Lobby – es fehlt die Anerkennung von Kindern mit Behinderung in unserer Gesellschaft, sie haben ein Recht auf Bildung“, forderten die Eltern in großer Runde. Die Eltern fühlen sich vergessen von der Politik und alleine in der Verantwortung, die Inklusion voranzubringen. Wie wichtig die Förderzentren als Schulen mit bestimmten Förderschwerpunkten für ihre Kinder sind, stellten die Eltern mehr als eindringlich dar. „Inklusion findet hier statt, unsere Kinder haben in der Schule und vor allem auch am Nachmittag in der Tagesstätte ihr soziales Umfeld, ihre Freunde, Förderung und Therapie.“ Es sei schlicht nicht möglich, erzählt die Mutter eines autistischen Jungen, ihren Sohn adäquat zuhause zu betreuen. Und Schule, so wurde schnell klar, beginnt für diese Kinder meist ab der Haustüre, denn bereits für den Schulweg benötigen sie Betreuung, einen Fahrdienst – die sog. Schülerbeförderung.

 

Eltern sorgen sich um Entwicklungschancen und Zukunft ihrer Kinder

Der Fachkräftemangel ist in den Förderzentren deutlich spürbar. Die Eltern sorgen sich um die Entwicklungschancen, die Zukunft ihrer Kinder und die der Schule. Was, wenn wegen Personalmangel Gruppen der Tagesstätte geschlossen werden müssen? Was, wenn es zu wenige Schulbegleitungen gibt, die Kinder individuell während des Schulbesuchs unterstützen? Was, wenn die Busunternehmen keine oder nicht ausreichend Fahrer finden? Dauert dann der Weg zur Schule über eine Stunde? Das ist nicht zumutbar, die Kinder und die Familien können alle diese Szenarien nicht bewältigen. Sie suchen zurecht Hilfe und Unterstützung seitens der Politik. Sie fordern eine gerechte Entlohnung der Fachkräfte, die schnellere Anerkennung ausländischer Fachkräfte und flankierende Maßnahmen wie zum Beispiel das Pooling der Schulbegleitungen. Dies könnte helfen, die Förderzentren zu stärken, qualifizierte und erfahrene Fachkräfte zu halten und Nachwuchs zu gewinnen.

Foto: Christine Allgeyer

Es braucht eine angemessene Bezahlung und faire Rahmenbedingungen

Worum geht es den Eltern? Was möchten sie mit und für die Fachkräfte und die Förderzentren ihrer Kinder erreichen? Marianne Einhauser, Erzieherin am Pater-Rupert-Mayer-Zentrum, ein Förderzentrum der KJF mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung, schilderte einen Missstand, der sie und ihre Kolleginnen zu einer Petition an den bayerischen Landtag veranlasst hat: Es geht um die Bezahlung von Erzieherinnen an Förderschulen. Wenn diese vormittags im Schulbetrieb arbeiten, gelten sie als schulische Pflegekraft. Für diese Arbeit werden sie schlechter entlohnt als für die Arbeit als Erzieherin am Nachmittag in der Tagesstätte. Marianne Einhauser und ihre Kolleginnen forderten in ihrer Petition die adäquate Bezahlung auch am Vormittag, denn „die Anforderungen sind gestiegen. Die Kinder brauchen mehr Unterstützung.“ Die Erzieherinnen sind sehr enttäuscht über das Ergebnis ihrer Petition, denn es gab keine positive Antwort. Was, wenn die Förderzentren diese Fachkräfte verlieren? Ebenso kritisch sehen die Eltern die Arbeitsmarktzulage der Kommunen. Dies sei eine Wettbewerbsverzerrung und könne zu Abwanderungen führen. Die Eltern fordern überdies, dass Quereinsteigern der Zugang in die Tätigkeitsfelder an Förderzentren erleichtert wird. Eine Chance sehen sie auch in der Fort- und Weiterbildung.

Die personelle Ausstattung der Tagesstätten ist das A und O an einem Förderzentrum. Hier finden die Therapien statt. Aktuell kann das Bischof-Wittmann-Zentrum neu aufgenommenen Kindern wegen der Personalsituation keinen Tagesstättenplatz anbieten. Die Eltern schlagen Alarm. Betroffene Familien müssen sich selbst um Therapien extern kümmern – die Wartezeit sei hier über ein Jahr. Das bedeutet für die Kinder gravierende Einschnitte in der Entwicklung und für die Eltern eine Mehrbelastung, die manche gar nicht bewältigen können. Eine Schule ohne ausreichend Fachkräfte bedeutet immer auch einen Qualitätsverlust in der Förderung. Das wollen die Eltern so nicht hinnehmen und kämpfen darum, dass die Politik sie wahrnimmt. KJF-Direktor Michael Eibl bestärkte die Eltern: „Bleiben Sie im Gespräch mit den Politikerinnen und Politikern!“ Er versichert, dass sich die KJF nach Kräften dafür einsetze, „mehr Leute ins System zu bringen“. Landrätin Tanja Schweiger zollte den Eltern Respekt für ihre Initiative. Der Zuspruch sei bei den Fraktionen und der Regierung groß gewesen und dies sei als Erfolg zu werten. Die Eltern hätten die komplexe Materie sehr gut aufbereitet. „Die Not ist groß und die Eltern sind belastet. Sie haben das transparent gemacht und gezeigt, dass sie sich wirklich sorgen“, so Schweiger. Ein Lösungsansatz könne sein, die wenigen personellen Ressourcen mehr zu den Kindern, zu Kindern mit Behinderung oder zu alten Menschen zu bringen. „Brauchen wir immer mehr Personal in den Verwaltungen?“, fragt Schweiger. „Die Priorität sollte doch bei denjenigen liegen, die an den Menschen arbeiten.“

Foto: Christine Allgeyer

Text: Christine Allgeyer