„Winter in den Abruzzen. Eine Nacherzählung in Bildern“
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„Welch große Freude und Ehre, dass wir Herbert Grabes künstlerisches Schaffen in unserer Galerie St. Klara präsentieren dürfen“, betont Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg (KJF). „Wer Menschen so intensiv wie Herbert Grabe kennenlernt, kann sie besonders intensiv künstlerisch darstellen. Dies gelingt ihm in der Malerei ebenso wie mit fotografischen Arbeiten. In dieser Ausstellung können sich alle interessierten Betrachterinnen und Betrachter davon überzeugen. So darf und soll sein Engagement, soll seine Arbeit in uns wirken und einen jeweils eigenen Nachhall haben.“
Es ist eine kurze Geschichte von fünf, sechs Seiten, die Natalìa Ginzburg über ihre Verbannung in den Abruzzen geschrieben hat. Mit Mann und drei Kindern lebte sie von 1940 bis 43 in einem kleinen Bergdorf im Apennin. In den Abruzzen gab es eine Vielzahl von schlimmen Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und die abgeschiedenen Abruzzen waren eine vom italienischen faschistischen Regime ausgesuchte Region zur Verbannung von politischen Gegnern. Herbert Grabe erzählt die Geschichte mit seinen Bildern, Fotos und Objekten, die er für diese Ausstellung geschaffen hat, nach. So erschließen uns beide Elemente einfühlsam einen wichtigen Teil der gemeinsamen Geschichte Italiens und Deutschlands, ganz nahe an den Menschen. Sie sind ein wertvoller Impuls für Menschlichkeit und Frieden.
Wir sehen Natalìa und Leone Ginzburg, Domenico Orecchio, die kleine Schneiderin, Concetta, das Dienstmädchen, den Vater, der sein Kind verlor. Auch Orte entstehen vor unseren Augen: das Gefängnis, in dem Leone Ginzburg starb, der Laden von Girò, das Dorf Pizzoli, die Winterlandschaften der Abruzzen. Leone Ginzburg stammte aus einer jüdischen Familie in Odessa, Natalìa Ginburgs Vater war Jude, ihre Mutter Katholikin. Sie lebten in Turin. Der Grund für ihre Verbannung war ein doppelter. Sie waren Regimegegner und Juden.
Wilma Rapf-Karikari, Galeristin der Kunstpartner Galerie, stellte den zahlreichen Gästen die Ausstellung und den Künstler vor: „Herbert Grabe ist nicht nur ein großartiger Bilderfinder und Bild-Erfinder, sondern begleitet seine Impressionen mit überaus beredten Erzählungen. Ebenso beredt versteht er es, mittels der Kamera mit seinen Fotografien zu erzählen: Das faltenreiche Gesicht eines abruzzesischen Schäfers braucht keine Beschreibung. Die Verwandtschaft zu den zerklüfteten Felswänden ist offensichtlich.“ Auch die Malerei Herbert Grabes, ordnete die Galeristin ein: „Den Hauptpersonen aus der Erzählung nähert er sich malerisch. Er verfolgt damit nicht das Ansinnen, eine fotografisch quasi authentische Abbildung schaffen zu wollen, sondern bietet uns Porträts an, wie sie vorstellbar sind, wie sie sein könnten. Die absichtsvolle Ungenauigkeit, die Herbert Grabe bei seinen Gemälden zulässt, erlaubt den Betrachterinnen, ihr jeweils eigenes Bild zu vervollständigen.“
Herbert Grabes Ausstellung fügt sich in eine Reihe von Veranstaltungen der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg mit historischem Bezug ein, die für Menschlichkeit und Solidarität stehen, aber auch das Leid von Menschen aufgreift, die Verfolgung, Vertreibung und Diskriminierung erfahren haben: Rauminstallationen „Ich bin da. Künstlerische Perspektiven zum Thema Flucht“ (2015), „Jenseits von Lampedusa – Willkommen in Kalabrien“, thematisiert die Integration von Flüchtlingen in Süditalien (2016), Fotoausstellung „Rettungswiderstand in Dieulefit“, der Vortrag „Die versteckten Kinder von Dieulefit“ zur Rettung Menschen jüdischer Abstammung (2016) und die Wanderausstellung „Vom Scheitern eines anberaumten Massenmordes, Bulgarien 1934 – 1944" (2021).
Erinnerungskultur als Grundlage des Zusammenlebens
Damit will Herbert Grabe auch einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten: Für den Künstler ist dieser Begriff nicht nur ein Wort, sondern eine wichtige Grundlage des Zusammenlebens in unserem Staat. Die Wissenschaftlerin Dina Porat schreibt in ihrem Buch „Die Rache ist Mein allein“: „Die Erinnerung ist keine Verpflichtung, sie ist die Erinnerung, die uns immerzu begleitet.“ Sie ist Jüdin. Aus deutscher Sicht gilt: „Die Erinnerung ist eine Verpflichtung.“
Dazu passt, was Norbert Frey in einem SZ-Interview zu seinem neuen Buch über die deutschen Bundespräsidenten auf die Frage „Wie beurteilen Sie den Stand der Erinnerung an Judenverfolgung und Vernichtungskrieg heute?“ antwortete: „Sie steht unter Druck wie schon lange nicht mehr. Führende Kräfte der Rechtspopulisten fordern eine ,erinnerungspolitische Wende‘ und meinen damit eine Verkehrung ins Gegenteil. Wenn die Bundesrepublik seit den Neunzigerjahren gleichsam von sich selber sagt, dass der selbstkritische Umgang mit der NS-Vergangenheit zu ihrer politischen Kultur und Identität gehöre — dann greifen diese Attacken von rechts auch die Identität unserer Demokratie an.“ Oder: Der SZ-Autor Peter Laudenbach führt in einem Interview mit Michel Friedmann aus: „Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, beklagt, dass die Kultureinrichtungen kaum Gesten der Solidarität mit Israel und dem Judentum zeigen.“
Heinz Grobmeier, Kulturpreisträger des Landkreises Regensburg, begeisterte das Publikum mit seiner musikalischen Begleitung der Veranstaltung.
Die Ausstellung in der Galerie St. Klara ist zu folgenden Zeiten geöffnet: An den Sonntagen 12., 19. und 26. November sowie 3., 10. und 17. Dezember 2023 und 7. Januar 2024 und Samstag, 30. Dezember 2023, jeweils von 14 bis 17 Uhr.
Text: Sebastian Schmid/Herbert Grabe